In einem Leitfaden haben wir die Rolle und Aufgabe von Sprach- und Kommunikationsmittler*innen definiert. Kernpunkte sind unter anderem Schweigepflicht, Allparteilichkeit, Transparenz und Vollständigkeit.
Rollenleitbild von Sprach- und Kommunikationsmittler*innen gemäß dem SPuK OS-Konzept
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten sich ihrer Rolle, ihren Aufgaben und Grenzen allen Gesprächsparteien gegenüber eindeutig bewusst sein und diese auch benennen. Sie sollten sich entsprechend der Rolle und der spezifischen Aufgaben verhalten.
Sie sollten die Rollenanforderung der Vertraulichkeit (Schweigepflicht) kennen und erfüllen und sollten zu Beginn der SPuK-Einsätze auf diese hinweisen.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten die Rollenanforderung der Allparteilichkeit kennen und erfüllen. Sie verhalten sich allparteilich gegenüber sämtlichen Gesprächsteilnehmern und Inhalten und unterstützen oder schützen keine der Gesprächsparteien. Bei Interessenskonflikten oder Befangenheit sollten sie diese deutlich machen und ggf. den Einsatz abbrechen.
Sie sollten Aussagen nicht inhaltlich durch persönliche Meinungen oder Kommentare verändern und sollten auch etwaig unangenehme Inhalte an alle Gesprächsparteien weitergeben.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen geben keine Auskünfte zur vermeintlichen Glaubwürdigkeit von Aussagen von Gedolmetschten, noch geben sie Erklärungen zu Verhaltensweisen von gedolmetschten Personen ab. Diese Beurteilung und Einschätzung liegt allein beim Fachpersonal.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten für eine Transparenz ihrer Tätigkeit bei allen Gesprächsbeteiligten sorgen. Sie verdeutlichen stets allen Seiten ihr Vorgehen bei der sprachlichen Übertragung.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten die Rollenanforderung der Vollständigkeit kennen und erfüllen: Sie dolmetschen alles, was im Gespräch gesagt wird. Auch Nebenbemerkungen oder Nebengespräche zwischen mehreren Sprecher*innen einer Sprache werden von ihnen übertragen.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten eine passende Position / einen Sitzplatz im Raum einnehmen, die es ihnen ermöglicht, alle Gesprächsparteien gut zu sehen und akustisch verstehen zu können.
Sie nehmen sich zu Beginn jedes Einsatzes kurz Zeit und stellen sich allen Gesprächsbeteiligten vor. In dieser Vorstellung sollten sie auf die Prinzipien der Schweigepflicht, Allparteilichkeit sowie der Verpflichtung zur Vollständigkeit der Dolmetschung aller Aussagen hinweisen.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten für gute Bedingungen für ihre Arbeit (akustisches Verstehen, Länge der Redebeiträge, Sitzplatz) sorgen. Die Verantwortung für den Gesprächsverlauf, die Kommunikation und das Gesprächsergebnis verbleibt bei den Gesprächspartnern.
Sie bemühen sich selbständig um eine angemessene Länge der Redebeiträge und erfragen gegebenenfalls Pausen für die sprachliche Übertragung. Sie sollten darauf hinweisen, wenn durch Durcheinanderreden mehrerer Gesprächsbeteiligten ihre Konzentration gestört wird. Sie sollten sich ausreichend Zeit für ihre Arbeit erbitten, falls Zeitdruck eine gute sprachliche Übertragung erschwert.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten bei Unklarheiten sowie bei Fachbegriffen um Erläuterungen bitten, um diese gut dolmetschen zu können und eine möglichst genaue sprachliche Weitergabe zu erreichen. Sie beantworten Fragen zu Unklarheiten oder inhaltlichem Nichtverstehen nie selbst, sondern geben diese Fragen immer an die betreffende Gesprächspartei weiter.
Falls Fachbegriffe nicht gut umschrieben werden können (medizinische Fachbegriffe, berufsbezogene Fachwörter) dürfen sie diese mittels Wörterbuch, Mobiltelefon-App oder anderweitig nachsehen, da eine verlässliche und präzise Übertragung wesentlich ist.
Sie können, falls dies ihre Arbeit unterstützt, Notizentechniken nutzen, um Details wie Daten, Adressen etc. der zu dolmetschenden Aussagen zu erfassen. Diese Notizen sollten, um die Schweigepflicht nicht zu verletzen, nach dem Ende des Termins am Einsatzort (Büro, Beratungsstelle, Schule etc.) verbleiben und dort entsorgt werden.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten durch ihre Kenntnisse zu Begrifflichkeiten und Strukturen (Bildungssystem, soziale Einrichtungen, Verwaltung etc.) in Deutschland und dem Land / der Region, dessen Sprache sie dolmetschen, bemerken, wenn die Gesprächsparteien Begriffen voneinander abweichende Inhalte zuschreiben (z.B. Berufe, Krankenversicherung, Jugendamt…). In diesen Situationen weisen sie die Gesprächspartner auf die Differenz hin und bitten jede der Parteien um eigene Definitionen, welche sie dann dolmetschen. Sie sollten solche unterschiedlichen Strukturen nicht selbst erklären oder erläutern, dies wäre eine eindeutige Rollen-Überschreitung.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten allparteilich handeln und die Vielfalt aller Gesprächsparteien respektieren. Sie sollten vorurteilsbewusst in Bezug auf ihre eigene gesellschaftliche Position und evtl. vorhandene eigene Vorbehalte agieren, zugleich sollten sie sich ihrer evtl. gesellschaftlichen Privilegien bewusst sein.
Sprach- und Kommunikationsmittler*innen sollten kulturalisierende Zuschreibungen und Vermutungen vermeiden. Sie sollten keine (vermeintlich) religiösen, ethnischen, kulturellen, geschlechtsspezifischen etc. Handlungsweisen oder Überzeugungen einer der Gesprächsparteien erklären. Fragen zu Handlungsweisen und Überzeugungen sollten sie immer an die entsprechende Person weitergeben, diese selbst sollte individuell erläutern, weshalb sie auf eine bestimmte Weise agiert oder eine bestimmte Überzeugung hat.
Wenn diskriminierende Verhaltensweisen gegenüber den Sprach- und Kommunikationsmittler*innen auftreten, dürfen sie den Dolmetschvorgang abbrechen.